Sonntag, 23. November 2014

Mein Protokoll

Die Lyriker im Arbeitskreis,
Sie reden sich die Köpfe heiß:
Erfüllt er die Kriterien nicht,
Ist dieser Text doch ein Gedicht?

Er könnte fast schon Prosa sein.
Die Verse enden ohne Reim.
Heut verschwimmt der Übergang,
Wo einst lief klare Grenze lang.

Gibt Binnenreim dem Werk Struktur,
Gilt das als Zeichen von Kultur,
Grad wenn ein Rhythmus innewohnt,
Der seine Aussage betont.

Die ist freilich so verschlüsselt,
Dass die Runde lang dran büffelt.
Den Text als edel dann ausmacht,
Weil Auslegung ist angesagt.

Hochwertig scheint ihr Qualität,
Wenn mühevoll die Deutung geht
Und logisch folgt der Umkehrschluss:
Im Einfachen liegt kein Genuss.

Der Paarreim beglückt nur Kinder.
Ernsthaft wird ein Dichter in der
Poesie ihn daher meiden,
Will er nicht ironisch bleiben.

Selbst dann läuft er mit ihm Gefahr:
Schnell steht er überheblich da.
Die freie Versform allemal
Dem Arbeitskreis scheint ideal.

Die ganze Wahrheit kanns nicht sein,
Wendet einer kritisch ein.
Schließlich behauptet Ringelnatz
Im Dichter-Ranking seinen Platz.

Wilhelm Busch hat er zur Seite,
Der sich stets daran erfreute,
wenn er ein gewähltes Thema
Adelte im Reime-Schema.

Als Einwand hält man gleich bereit,
Die seien doch aus andrer Zeit.
Wollt die Runde unterbinden,
Das Bewährte gut zu finden?

Was erinnerlich geblieben,
Steht im Protokoll geschrieben.
Und ich verrate damit viel
Auch über meinen eignen Stil.

22. November 2014

© Karl Hackelbusch

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